Von Mir kommt ihr – zu Mir kehrt ihr zurück
Bismillahirrahmanirrahim
Von Mir kommt ihr – zu Mir kehrt ihr zurück
Sheikh Eşref Efendi, Berlin, 27.05.2013
Unser Weg ist der Weg der Ansprache, der Sohbet. Denn das Heil und das Wohl liegen in der Gemeinschaft. Mögen die Zungen und Herzen der Heiligen unsere Herzen inspirieren und unsere Zungen sprechen lassen. Mögen unsere Worte von ihnen sein und uns Heilung geben.
Die Kraft der Heilung ist keine irdische Kraft. Und auch die Kraft des Segens, der auf die Menschen herunter gegeben wird, ist nicht auf Erden zu finden. Nichts in dieser Welt geschieht grundlos, somit haben diese Kräfte Ursachen. Auch wenn diese Gründe irdisch sind, handelt es sich dennoch um spirituelle, himmlische Kräfte.
Dementsprechend muss es einen Grund geben, damit man nach etwas verlangt; kein Grund - kein Verlangen, kein Verlangen - keine Angebote. Hier auf Erden gilt: Das Angebot wird von der Nachfrage bestimmt. Wer nicht fragt oder nichts verlangt, bekommt eben nichts.
Empfindet der Mensch Hunger, wird in ihm zum Beispiel das Bedürfnis nach Brot geweckt. Er wird zum Bäcker gehen, nachfragen und ein Angebot bekommen. Somit beinhaltet das Angebot die Nachfrage. Bist du nicht hungrig, hast du auch kein Verlangen, der Bäcker wird nicht backen. Und sollte es dennoch Gebäck geben, gehört auch der Kaffee dazu...wenn man danach verlangt.
Der Grund unseres Seins auf Erden ist, dass der Herr uns etwas geben mag. ER hat für uns Entsprechendes vorbereitet und bereitgestellt und sagt: „Verlangt danach, es steht euch zu.“ Doch damit ER gibt, muss es einen Grund für unser Verlangen geben.
80 % bis 90 % der Menschen kommen in unsere Gemeinschaft aufgrund von Sorgen und Nöten. Wäre dieser Kummer nicht, würde uns niemand aufsuchen und nach dem Herrn fragen. So ist der Mensch! Hat er keine Sorgen oder Nöte, ist allen anderen Dingen gegenüber vollkommen unbekümmert; nur sein eigenes Selbst ist ihm von Interesse.
„Ich habe gehört, Sheikh, du bist hier der Bäcker und sollst gut backen –ich habe Hunger.“
Warte ein bisschen, gleich wird die Tafel gedeckt, dann kannst du deinen Hunger stillen.
„Aber ich habe auch Durst, Sheikh.“
Wir können dir Wasser geben.
Obwohl wir uns hier in dieser Gemeinschaft für den Herrn zusammenfinden, haben wir dennoch die Erwartung, etwas zu bekommen.
Und so soll es auch sein, so wird es vom Herrn verlangt. Denn ER ist der Hoffnung-Gebende: „Wenn du hoffst, dann gebe ich.“ Deshalb erweckt ER in uns Erwartungen, wir würden uns sonst überhaupt nicht bewegen. Denn ein Mensch ohne Hoffnung ist bereits ausgetrocknet, tot. Er ist da, wo er ist und da wird er auch verrotten.
Ein Mensch, der keine Hoffnung hat, den nächsten Tag zu erleben, zu sehen, wie die Sonne wieder über ihn scheint, der wird ihn auch nicht erreichen können. Allein schon vor Angst wird er nicht ankommen. So verhält sich das eben mit der Hoffnung: Zu hoffen, dass auch in der Dunkelheit ein Licht für uns scheint, welches uns weitergehen lässt.
Deshalb solltest du morgens beim Erwachen als erstes deine Hände öffnen und deinen Herrn bitten: „Oh Herr, mein Gebieter, lass den Tag in deinem Namen mit Segen vergehen. Bewahre mich den Tag über vor Unheil, vor Unfällen, vor Schaden.“ Und bevor du nachts die Augen schließt, öffne wieder deine Hände: „Oh mein Herr, lass diesen Abend, diese Nacht gesegnet sein, heil- und lichtvoll für mich. Schütze mich, denn auch die Nacht birgt Unheil. Lass dein Licht am Morgen über mich kommen und in mir scheinen.“
Bittet darum, es ist wichtig!
Diese Ansprache ist eine Ansprache mit dem Sheikh. Auch wir, die hier sprechen, sind lediglich Zuhörer. Denn der Sprecher ist unser Meister. Du kannst in diesen Sohbets mehr und besser lernen, besser verstehen, als in den Universitäten dieser Welt. Hier wird das Wissen dem Menschen mit einem Mal gegeben. Keine Universität kann dir dieses Verständnis geben, denn sie sind nicht mit dem Himmel verbunden! Doch wie soll es dann überhaupt möglich sein, dass dir eine Universität das Wissen des Lebens, das Lebenswissen, vermittelt?
„Woher weißt du, dass es dort keine Verbindung zum Himmel gibt, Sheikh? Vielleicht ja doch...?“
Wenn du durch die Eingangspforte der Universität gehst, schau, was über der Tür steht. Es wird dort alles Mögliche zu lesen sein, doch keinesfalls: Bismillahirrahmanirrahim. Wie soll etwas, dass nicht in SEINEM Namen eine Pforte öffnet, eine Verbindung zu IHM haben? Denn nichts hat eine Verbindung, das nicht in SEINEM Namen spricht oder ruft. Und wenn dort vor Ort auch tausend Professoren wären: Ihnen allen fehlt diese Verbindung.
Man redet von den Himmelspforten, das heißt, es gibt Türen, die sich öffnen.
Mit dem passenden Schlüssel öffnen sie sich jedem.
Verlange, dass du bekommst – und du wirst es erhalten. Das ist ein Versprechen. Willst du Verbindung zum Himmelsreich? Dann sag Bismillahirrahmanirrahim!
Verlange nach diesem Schlüssel zur Pforte des Paradieses. Sie hat eine solch offene Weite, dass du mit allen Menschen Seite an Seite hindurchgehen könntest. Selbst die gesamte Schöpfung würde nebeneinander in einer Reihe Einlass finden.
Doch sprechen wir hier nicht von irgendeinem Schlüssel, sondern von einem mit der endlosen Bedeutung von Bismillahirrahmanirrahim, übersetzt „Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Allerbarmenden“. Ein Schlüssel von gewaltiger Kraft, Macht und Größe, unbeschreiblich, grenzenlos. Wie kannst du einen derart kraft- und machtvollen Schlüssel tragen? Nur mit demselben Namen, mit Bismillahirrahmanirrahim. Denn ohne Bismillahirrahmanirrahim zu sagen ist keine Welt, kein Geschöpf, kein Engel dazu in der Lage.
Kommst du mit? „Nein, Sheikh.“ Das ist o.k. Wir schieben dich von hinten, wir ziehen dich von vorn; wir sorgen schon dafür, dass du mitkommst.
In der Ansprache des Sheikhs steckt ein Wissen und eine Erkenntnis, die dir sämtliche Professoren, Gelehrten, Wissenschaftler dieser Welt nicht vermitteln und geben können. Warum? Weil der Sheikh aufgrund des Schlüssels die Verbindung „nach oben“ hat. Und wer auch immer sagt, er würde im Namen des Herrn reden, seine Vorhaben jedoch nicht mit Bismillahirrahmanirrahim beginnt, ist nicht wahrhaftig SEIN Redner. Er spricht von sich, jedoch niemals im Namen des Herrn.
Wir müssen darum bitten, dass wir Veränderung erfahren. Wer kann uns verändern? Einzig und allein der Herr, Allah. „Oh Herr, verändere unseren jetzigen Zustand in einen noch besseren.“ Auf Arabisch gesagt ist das ungeübt noch ein Zungenbrecher. So sprich eben in deiner Sprache, denn Allah ist aller Sprachen kundig und hört alle Herzen. Wichtig ist das, was du in deinem Herzen ausdrücken möchtest und dass du es in deinem Gebet in Worte fasst. Gelangen deine Worte himmelwärts, erfahren sie eine Art Übersetzung, Transformation. Letztendlich spricht dein Herz dann die himmlische Sprache: Arabisch! Dein Deutsch wird somit auf Arabisch verstanden.
Keine Widerrede, wenn ihr hört, dass der Himmel Arabisch spricht!
Wir sind Türken, sprechen auch nicht Arabisch und legen auch keinen Einspruch ein. So auch die Engländer, Italiener, Griechen, Russen, Amerikaner, Franzosen, an alle: Protestiert nicht dagegen! Die Einzigen, die sich darüber freuen, sind die Araber – sie aber geben auch am meisten Gegenrede.
Niemand braucht Bedenken zu haben, dass er seine Nationalität, seine Identität ändern wird, wenn er ins Paradies eingeht. Obgleich dort die arabische Sprache gesprochen wird, ist das Paradies dennoch kein Ort der Nationen. Es ist ein Ort der Menschen mit ihrer eigenen Art und Eigenschaften.
Drückst du jedoch deine Herzensabsicht auf Arabisch aus, hat dies natürlich eine andere Kraft und Resonanz und dadurch auch eine andere Wirkung auf den Körper, auf den Menschen. Doch das, was der Herr dir herunterschickt, ist sprachlich unabhängig. Zudem schreiben die Engel sowieso nicht in deiner Sprache, sondern in ihrer eigenen nieder.
An deiner rechten und linken Seite befinden sich Engel, Schreiber-Engel. Der rechte notiert deine guten Absichten, guten Wünsche und guten Taten; der linke deine Fehler, Schwächen und deine schlechten Taten.
Selbst wenn du also kein Arabisch kannst: Sprich zu ihm, auch der Engel versteht dich in deiner Sprache. Sag zu dem auf der rechten Seite: „Wach auf, schreib etwas Gutes, damit die linke Seite nicht zu viel Gewicht bekommt. Denn der linke Engel schläft nie, unaufhaltsam ist er beim Schreiben...und du schläfst?“
Der rechte Engel antwortet: „Ich schlafe, ja, aber tu du doch endlich etwas Gutes! Sprich ein Gebet zu deinem Herrn, äußere einen guten Wunsch und denke etwas Gutes. Ich schreib dann schon, keine Sorge. Ich werde es auf Arabisch gen Himmel schicken. Deine guten Gedanken, Wünsche und Gebete ins arabische zu übersetzen, das ist meine Aufgabe. Doch dass du mich wach hältst, ich nicht einschlafe, das ist deine Aufgabe.“
Bete für dich, dass du einen guten, einen besseren Zustand erlangst. Aber bete auch für deine Nächsten, für die Gemeinschaft der Menschen, für alle Menschen auf der Welt. Bete, dass sich ihre Zustände zu ihrem Wohl verändern. Wir sind nicht auf die Erde gesandt worden, um hier in schlechten Zuständen Not leiden zu müssen. Das ist nicht der Grund für unsere Erschaffung. Die Propheten haben auch in dieser Welt gelebt.
Warum sind wir dann hier?
„Ich bin ein verborgener Schatz und ich will erkannt werden“, sagt der Herr. „Ich habe dich in diese Welt geschickt, dass du von mir weißt und mich kennenlernst; nicht um zu leiden. Wer bin ich? Erkenne diesen Schatz. Hier ist nicht der Ort des Leidens, sondern der Ort des Wissens und der Erkenntnis. Wisse und erkenne mich!“
„Von mir seid ihr gekommen und zu mir ist eure Rückkehr.“ Was bedeutet dieser heilige Vers?
Bevor wir in diese Welt kamen müssen wir demnach bei IHM gewesen sein, existierten bereits. Doch wo und in welchem Zustand waren wir? ER hat uns von sich entfernt. Warum?
Das ist das Geheimnis dieses heiligen Verses. In den heiligen Büchern, im heiligen Koran ist alles enthalten, was für dich verborgen ist. Es ist eine Schatztruhe. Nur ein Schatzjäger kann diesen Schatz finden und offenbaren. Du bist kein Schatzjäger und hast auch kein Gefühl für Schätze und keine Kenntnis darüber? Dann hör dir an, was man dir so alles aus dieser Schatztruhe bietet.
Der Herr sagt: „Ihr wart bei mir, in meiner göttlichen Gegenwart, in der Einheit.“ Somit hatten wir eine Existenz, die in SEINER Einheit verborgen war. Doch hattest du kein Bewusstsein über dein Selbst. Denn dort gibt es nur IHN. Auch wenn du durch IHN existent bist, weißt du nicht, wer du bist und wer dein Herr ist. Das ist der Grund, warum er uns in diese Welt, in die Dualität geschickt hat: Erkenntnisse zu sammeln, über uns selbst und über unseren Herrn.
Innerhalb der Dualität verlangst du nach Einheit. Warum? Weil du dich an ihren Geschmack erinnerst und sie daher für dich eine Anziehungskraft hat. Du suchst hier in der Dualität nach dem, was du eigentlich schon hattest ... doch von dem du nichts wusstest.
Als wir in der Einheit waren, haben wir die Sehnsucht, die wir hier im Diesseits nach ihr verspüren, nicht wahrgenommen. Denn wir waren Eins. Es gab keinen Grund, nach Einheit zu verlangen, hatten wir doch kein Wissen und Bewusstsein darüber. Daher sagt der Herr: „Ich habe euch entfernt.“ ER brachte uns in die Distanz, um die Sehnsucht aufkommen zu lassen, wieder eins mit IHM zu werden. Der Geschmack und der Geruch der Einheit, die wir dort empfanden, führen uns jetzt wieder auf den Weg, zurück zu IHM. „Von mir seid ihr gekommen.“
Unsere Heimat ist SEINE Gegenwart. „Und zu mir ist eure Rückkehr. Ich hatte Wissen über euch, aber ihr hattet weder über euch noch über mich Kenntnis.“
Jeder Mensch auf dieser Welt, unabhängig von seiner Nation, sucht nach der Einheit, sei es auf religiösen, philosophischen oder spirituellen Wegen. Ob Buddhist, Hindu, Jude, Christ, Muslim, sie sagen. „Ich will eins werden und suche die Einheit.“
Die Philosophen beschreiten ihren Weg der Suche durch ständiges Denken, bewegen sich nicht und haben aufgrund dessen ein etwas faules Gemüt. Wenigstens wussten sie, wohin sie schauen müssen. Denn sie haben nicht in dieser Welt nach Einheit gesucht, sondern schauten in den Himmel. „Es muss da etwas geben, das Einssein, Einheit bedeutet. Wir wissen zwar nicht, was das ist, aber wir suchen danach.“
Und warum schaut ihr nicht nach unten?
„Hier unten ist alles so begrenzt. Aber wenn wir in den Himmel schauen, dann ist dort so eine Weite, Freiheit, Unbegrenztheit, Endlosigkeit. Somit können wir mit unseren Gedanken endlos umherkreisen.“
Doch vom vielen Umherkreisen sind einige am Ende durchgedreht, sind während des Denkens sogar vertrocknet und versteinert zu der bekannten Denker-Pose. Ausgetrocknet und zu Stein geworden, da sie sich nur mit Gedanken und nicht mit dem Körper bewegten.
„Von mir seid ihr gekommen, zu mir ist eure Rückkehr.“ In diesem Vers ruft der Herr uns auf, Wissen über IHN zu erlangen und IHN zu erkennen. Aber wie? Dafür sandte ER SEINE Namen. ER schickt dir tägliche Ereignisse, die du erfahren musst. Innerhalb dieser Alltags-Geschichten erlebst du SEINE Eigenschaften SEINER heiligen Namen, SEINE Fähigkeiten in dieser Welt. Denn in SEINEM wahren Dasein ist der Herr allein. Du hast weder eine Ahnung von deinem eigenen Dasein noch davon, dass du mit IHM bist.
Zu allererst aber musst du dich selbst erkennen, um zu bemerken: „Ah, ich existiere.“ Denn es heißt: „Wer sich selbst erkennt, erkennt seinen Herrn.“
Die Menschen versuchen ständig, sich in dieser Welt zu behaupten und kämpfen mit ihrem Ego gegen den anderen. Das ist nicht Sinn und Zweck dieses Daseins.
Deine Existenz ist nicht darin begründet zu behaupten, dass du existierst, sondern nur, um ein Wissen, eine Information, darüber zu erlangen. Das ist ein großer Unterschied! So dass du sagen kannst: „Ich wusste es nicht, mir war es nicht bekannt, dass ich schon in der Vorewigkeit existierte.“
Ohnehin war unsere Existenz schon immer unendlich, waren wir doch mit dem, der unendlich ist. ER schickte dich in diese Welt, um dich zu begrenzen und Bewusstsein über dein Dasein zu erlangen. Zu erkennen, dass deine Existenz von SEINER wahrhaftigen Existenz abhängig ist. Denn beanspruchst du eine eigenständige Existenz, wirst du ausgelöscht. ER lässt dich in diese Welt kommen, damit du dich in diesem Spiegel anschaust und wahrnimmst, dass es dich gibt. „Ich bin da, aber nur durch diesen Spiegel. Ohne ihn hätte ich kein Antlitz, kein Bild. Auch habe ich ohne meine Wahrnehmung keinen Körper. Folglich bin ich dann auch nicht. Wer gibt mir diese Wahrnehmung und wer hält mir diesen Spiegel vor die Nase?“ Dein Herr antwortet dir: „Ich gebe dir!“
Aus diesem Grund schickt er seine Gesandten. Sie sollen dich wissen lassen, durch wen du überhaupt existierst. „Ja, du bist existent, aber weißt du, wem du dein Dasein zu verdanken hast? Wir bringen dich wieder zurück zu ihm ... zu deinem Ursprung, zur Quelle deines Lebens.“
Schau dich um, in jedem Bereich des Lebens rufen die Menschen nach Einheit; sowohl draußen auf der Straße als auch in den Gebetshäusern. Die Einheit ist der Ort und Zustand, von dem wir getrennt und hierher geschickt wurden, um sie wiederzufinden. Es ist vergleichbar mit einem Parfümgeschäft. Du suchst den richtigen Duft, wedelst mit verschiedenen Düften vor deiner Nase herum. Doch kannst du die unterschiedlichen Duftnoten nicht mehr wahrnehmen. Was musst du tun? Du musst das Geschäft verlassen, dich entfernen, draußen die Luft einatmen und erneut zurückkommen. Erst dann bist du dir wieder des Geruchs bewusst.
Es spricht der Herr: „Ich habe dich von mir entfernt und in diese Welt geschickt. Die Welt ist eine Wüste mit vielen Tälern, Bergen und Oasen. Gib acht, dass du dich in der Wüste nicht verirrst und dich nicht von den Oasen ablenken lässt. Banditen könnten dir deinen Weg abschneiden. Dein Lebensweg in dieser Welt, diese Reise, führt wird dich wieder zu mir. Finde einen guten Führer, einen Wegweiser, so dass du sicher bei mir ankommst. Du bist hier, damit du mich und dich erkennst und du weißt, dass du existierst – jedoch nur durch meine Existenz.
Du existiertest schon in der Vorewigkeit und wurdest dann in diese Welt geschickt. Es gab dich vorher nicht? Doch! „Mein Diener, du bist das einzige Geschöpf, das schon immer mit mir ist, solange ich bin, unaufhörlich, unendlich. Auf ewig wird deine Seele in der Einheit mit mir verborgen sein. Aber mit mir allein hast du nichts erlebt, warst du doch nicht im Bewusstsein. So erschuf ich die spirituelle Welt, die Welt der Engel. Die Seelen der Mineralien, Pflanzen und Tiere habe ich danach erschaffen, damit sie dir dienen. Warum? Damit du mit ihnen zusammen lebst und Erkenntnis bekommst. Worüber? Über mein Wirken. Denn du erkennst mein Wirken und das Wirken der Eigenschaften und Fähigkeiten meiner Namen an allem, was mich umgibt. Du kannst erfassen, was für ein Herr und Künstler ich bin, lernst mich immer mehr kennen und erlangst stetig mehr Bewusstsein.“
„Außer mir gibt es nichts in meiner Gegenwart. Um meine Attribute zu zeigen, musste ich Raum, ein Areal erschaffen. Denn wenn du mit mir in der Einheit bist: Wie willst du meine Attribute erkennen und erleben, ohne dass sie auf etwas wirken können? Wie kannst du Wissen über meine Fähigkeiten, über die Kraft meiner endlosen heiligen Namen bekommen - wer ich bin, wie ich bin, was ich bin?“
Deshalb erschuf ich all diese Welten. Es gibt dich nur durch mich! Zunehmend soll dir diese Wahrheit, nach der jeder ruft, bewusst werden: Verborgen, in dem heiligen Vers „Von mir seid ihr“ muss sie geöffnet werden.
Wir sprechen in dieser Sohbet über die Geheimnisse des heiligen Verses: „Von mir seid ihr, zu mir ist eure Rückkehr“. Der Herr sagt: „Ihr seid in dieser Welt, um die verschiedenen Stufen der Nähe zu mir mit Bewusstsein zu durchlaufen.“ Welche Stufe der Nähe ist dem Herrn am nächsten? Die des Nichtsseins, des Nichts. Sei wie nichts! Das ist die höchste Stufe der göttlichen Nähe, die Nicht-Sein-Stufe. „Aber Sheikh, ich bin doch da!“ Versteht richtig deutsch: Nicht - Sein! Angeblich bist du nicht da, dennoch existierst du. „Sein“ bestätigt ja, dass du da bist. Das ist Deutsch, oder nicht? Ich, der Türke, habe das jetzt aufgedeckt. Die Deutschen schlafen - und der rechte Engel auch...
Die Nicht-Sein-Stufe bringt den Diener zum Herrn. Schon immer warst du auf dieser Stufe, noch bevor überhaupt etwas existiert hat. Uns unseres Selbst nicht bewusst befanden wir uns in einem Zustand des Nichts. Aber wir hatten Existenz! Das ist auch die Weisheit dessen, wovon Allah spricht: „Ich habe euch aus dem Nichts erschaffen.“ Das bedeutet, wie „Nichts“ erschaffen; Bewusstsein ist nicht vorhanden, die Existenz jedoch schon. Versteht ihr?
Wenn jemand bewusstlos ist, hat er in diesem Augenblick keine Kenntnis über sich und seine Existenz. Rein äußerlich gibt es ihn. Aber wenn er sich über sich selbst, sein Leben, nicht bewusst ist, dann ist da kein Leben. Doch kannst du auch nicht sagen, dass es kein Leben ist: Es ist irgendetwas dazwischen.
Wann beginnt nun dieses Dasein? In dem Augenblick, wenn sich das Bewusstsein öffnet. Plötzlich nimmst du dich wahr, erkennst nach und nach deine Existenz. Ohne Wahrnehmung kann dir das nicht bewusst werden. Deshalb hast du dein Dasein in der Einheit mit Gott, mit Allah, nicht erkannt. Du warst IHM zu nah, dazu noch in der Bewusstlosigkeit. Hier auf Erden, durch SEINE Attribute, durch die alltäglichen Geschichten die du erlebst, bekommst du mehr und mehr Verständnis, mehr Erkenntnis und mehr Bewusstsein.
Bewusst erlangst du im Bewusstsein eine Erkenntnisstufe für dich und für deinen Herrn – dass es dich einerseits gibt und andererseits doch nicht. „Von mir seid ihr, zu mir sollt ihr, zu mir müsst ihr, zu mir kommt ihr. Ob Atheist, Buddhist, wer auch immer du bist: Ihr kehrt alle zu mir zurück!“
Denn der Herr sagt: „Du hast ein Seil um deinen Hals und der Anfang dieses Seils ist in meiner Hand. Es gibt kein Geschöpf, dass wir nicht an der Stirn gepackt haben.“
„Ich habe dich in die Welt geschickt, dass du, ohne dich zu verirren, in vollkommener Bewusstheit zurückkehrst.“ Dies zu erreichen ist die Aufgabe des Meisters, des Sheikhs – im Zusammensein mit ihm und im Hören seiner Ansprachen.
Ohne die Einweisung, Anweisung und Wegweisung des Sheikhs wirst du dich in dieser Wüste verirren, verwirrt in der Dunkelheit tappen. Banditen werden dir deinen Weg abschneiden – in der Wüste gibt es sehr viele davon. Du wirst dich von der Schönheit und den Genüssen der Oasen ablenken lassen, die Wüste gar nicht mehr verlassen wollen.
So wird dein Weg immer länger und länger, da dir die sichere Führung fehlt und niemand auf dich aufpasst, dir Disziplin gibt, dir sagt: „Genug vom Oasen-Dasein, weg mit dir, steh auf!“ Einen Arschtritt musst du bekommen, dass muss sein. Sonst würdest du in der Oase „ein schönes Leben“ führen und sagen: „Es gibt keinen Weg für mich, es ist o.k. hier.“ Das eben ist der Anspruch der Atheisten, die sagen: „Wir sind hier in dieser Welt, das ist ausreichend für uns.“ Aber du bist nicht in dieser Welt, um hier zu sitzen oder hier gar deinen Pfahl in den Boden zu rammen, um dich daran festzubinden.
Deshalb ist dieses Leben ein Lebensweg, Tarikat, wir nennen ihn Sufismus. Diesen Weg gehen wir unter Anleitung und Wegweisung des Sheikhs. Aber wir gehen! Denn ein Weg ist nicht dazu da, um darauf zu sitzen, stehenzubleiben und sich die Umgebung anzuschauen.
Doch bedenke: Der Sheikh wird dich erstens nicht durch die Wüste führen und zweitens auch nicht an den Sehenswürdigkeiten dieser Welt aufhalten lassen. Stattdessen sagt er: „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Es gibt nichts umherzuschauen, das Ziel steht vor Augen und muss erreicht werden. Denn wir wissen nicht, wie lange wir noch hier sind.“ Deine Batterie wird nicht ausreichen. Der Weg ist lang, deine Batterie dagegen zu schwach. Mevlana Rumi sagte einst: „Würde der Weg zu Allah zweihundert Jahre dauern... unter der Führung des Sheikhs wird er zu einem Zwei-Jahres-Weg!“
Man muss seinen Verstand benutzen, dafür hat man ihn schließlich. So macht es doch einen Unterschied, in der Wüste allein unterwegs zu sein oder besser mit einer Karawane, angeführt von einem Lotsen, einem Wegweiser.
Der Sheikh wird dich nicht durch die Wüste führen. Er wird sagen: „Schau, die hohen Berge hier.“ Du betrachtest die steilen Wege: „Ich trau mich nicht. Wenn ich ausrutsche, werde ich tief fallen.“ Du denkst an die Wüste: Eine Ebene mit einer geraden Straße, ohne Hügel. Die Berge, mit ihren Höhen und Spitzen scheinen gefährlicher zu sein. Und auch die Oasen mit ihren Vergnügungsstätten haben ihre Anziehung auf dich. So verlangst du, den Weg durch die Wüste zu gehen. Doch vergiss nicht: Schöne Oasen - viele Räuber; denn die meisten Menschen wählen die Wüste statt den Gang über die Berge. Und ist dieser auch beschwerlicher, so ist er doch der kürzere Weg. Weißt du auch nicht, dass die Wüste mehr Gefahren birgt als die Berge.
Im Film kannst du es öfter anschauen: In einer Szene ist plötzlich der Weg versperrt. „Wo sollen wir langgehen?“ Man zeigt auf einen Berg: „Wir müssen über diesen Berg!“ Die Frau hat Angst, es sei so gefährlich... Doch der Mann tröstet: „Du bist mit mir, hab keine Angst. Ich weiß auch nicht, wo es lang geht. Aber unsere Liebe wird uns schon sicher über die Berge bringen.“
Nun macht man sich an den Aufstieg. Der, der vorweg geht, hält das Sicherungsseil, das er dir um die Lende gewickelt hat, fest in seiner Hand. So bewahrt er dich davor, abzustürzen. Das wirkt bedrohlich, ist aber nicht so gefährlich, wie der gerade Weg durch Wüste.
Was ist wichtig auf dem Weg über die Berge? Der, der vorweg geht, der Sheikh, ist jener, der schon „über dem Berg ist“. Sagt man ja auch so im Deutschen, „man muss über den Berg rüber“. Er kam, um dich zu holen und dich hinüberzubringen. Wenn man also dem Sheikh folgt ist es deshalb wichtig, dort, wo er seinen Fuß hinsetzt, auch den eigenen Fuß hinzusetzen und keine eigenständigen Schritte zu machen.
Einige von den Kletterern haben den Berg schon erklommen, kennen Auf- und Abstieg. Sie haben den Weg bereits gefestigt, indem sie an bestimmten Stellen Haken gesetzt haben; zum Befestigen des Sicherungsseiles und zum Festhalten ...für Sicherheit bei jedem Schritt!
Bist du aber eigensinnig und willst trotz der bereits sicher gesetzten Haken deine eigenen Schritte tun, wirst du fallen. Dein Ego flüstert dir ein, dass du mit dem Seil um deine Lenden ein Sklave des Lotsen bist; du fühlst dich eingeengt, deiner Freiheit entzogen und durchtrennst das Seil. Nun bist du frei, im freien Fall, „Ich schwebe, ich kann fliegen, ich habe die Stufe der Heiligkeit erreicht.“ Und während du so fällst und mit den Armen wedelst, siehst du einen Vogel an dir vorbeifliegen und denkst, du würdest nun genauso fliegen. Doch im Unterschied zu dir wedelt der nicht mit den Flügeln, sondern er flattert. Das Wedeln führt nicht zum Fliegen. Spätestens in dem Moment, wo du am Boden aufschlägst, weißt du, dass du gefallen bist ... und nicht geflogen.
So bevorzuge die Art und Weise, mit dem Sheikh ans Ziel zu kommen. Er führt dich und bringt dich „über den Berg“, hilft dir, Hindernisse zu überwinden. Für dein Ego wirken diese Hindernisse im übertragenen Sinne wie hohe Berge und es scheut sich, diesen angeblich beschwerlicheren Weg zu gehen. Es würde dich eher „in die Wüste“ schicken... doch wäre das in Wahrheit der Weg, auf dem du fällst.
Diese Ansprache war heute inhaltlich besonders hoch. Wenn wir das eine oder andere verstanden haben reicht das aus, um etwas bewusster zu werden. Verstehen wir in jeder Sohbet auch nur einen kleinen Punkt dazu, ergibt das Aneinanderreihen der Punkte am Ende eine Linie. Aus dieser Linie entsteht ein Buchstabe. Und Buchstabe an Buchstabe wiederum ergeben Worte mit Bedeutung und Erkenntnis. Deshalb sage nicht, du hättest nur ein Pünktchen verstanden. Ein Pünktchen kommt zum anderen - und ergibt eine weitere Linie zu deiner Lebenslinie!
Möge Allah uns gutes Verständnis geben!
Fatiha