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Die Hand, die dich trägt

Bismillahirrahmanirrahim


Die Hand, die dich trägt

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin, 12.05.2013

 

Willkommen, oh ihr Gäste, herzlich willkommen!

Wir kommen in diese Welt und werden willkommen geheißen. Und so, wie wir gekommen sind, werden wir auch wieder gehen müssen. Dann heißt es: „Lebe wohl“!

 

So ist der Lauf dieser Welt. Mit „Willkommen“ wird man begrüßt, mit „Lebe wohl“ verabschiedet.

Was bedeutet „Lebe wohl“? Wie immer haben es die deutschen Dichter und Denker so schön formuliert. Man verschwindet nicht. Man lebt im Wohlbefinden, im Wohlsein. Ist es dir hier nicht wohlergangen, so lebe dort wohl, wo es dir besser ergeht.

Kein Mensch kommt in diese Welt, um Wurzeln zu schlagen. Gebäude werden auf festem Fundament gebaut, doch auch sie werden irgendwann verfallen. Welcher Holzpfahl, den man in die Erde geschlagen hat, unterliegt nicht dem Verrottungsprozess?

Nichts ist auf dieser Welt unvergänglich. Ein Kommen und Gehen - mit Höhen und Tiefen, mit süßen und bitteren Momenten. Man darf das weltliche Leben nicht als Ewigkeit betrachten.

 

Heute ist Freitag, ein Feiertag. Es ist der glücklichste Tag der Muslime. Ein Tag zum Feiern, zum glücklich sein.

Doch birgt die Süße manchmal auch einen bitteren Beigeschmack in sich, so wie bittere Schokolade. Kennt ihr Bitterschokolade? Sie ist sogar gesünder als Vollmilchschokolade. Das Leben auf dieser Welt ist ein bitter-süßes Dasein. Der heutige Tag ist vor allem für unsere Gemeinde ein Beweis dafür, das Bittere und die Süße gleichzeitig schmecken zu müssen. Denn so wie dieser Tag gekommen, ist ein geliebter Bruder von uns gegangen. Ein Kommen und Gehen. Das ist das Leben!

 

Es ist wie auf einer Durchreise, einer Rast in einem Hotel, Motel oder in einem Hostel. Dort wird erwartet, dass sich die Gäste so schnell, wie sie gekommen sind, auch wieder verabschieden.

 

Was ist ein Hostel? Es ist eine Mach-dich-nicht-breit-Unterkunft. So viele Menschen wie möglich werden in kleinen Räumen beherbergt.

Die Gäste benötigen nur eine Raststätte zum Ausruhen, schlafen und reisen wieder ab. Bequemlichkeit und Luxus werden nicht geboten. Denn du sollst weiterziehen, du sollst nicht bleiben, du sollst es nicht bequem haben. Das ist keine Königssuite.

So verhält es sich auch mit dem irdischen Dasein. Es ist nur von kurzer Dauer und nicht für die Ewigkeit erschaffen. Du sollst das, was du zu erledigen hast, was wichtig für dich ist, verrichten und dann weitergehen.

 

Denn die Königssuite befindet sich nicht in diesem Leben. Kein Hotel spricht dir eine ewig währende Einladung aus. Es heißt eher: „Kommen Sie, checken Sie ein. Und wann wollen sie auschecken?“

 

Diese Frage wird dir gleich bei der Anreise gestellt. Nicht einmal im Hotel kannst du fragen: „Was geht Sie das an?“
„Wenn sie einchecken müssen Sie auch wissen, wann sie auschecken wollen.“

 

Und du kannst auch nicht sagen: „Wie unhöflich sind Sie denn! Wieso fragen Sie mich, wann ich wieder auschecke, wenn ich doch soeben erst angekommen bin?“


„Ja weil Sie nicht der einzige Gast in unserem Hotel sind. Wir müssen wissen, wann Sie wieder abreisen, damit wir die nächsten Gäste hier beherbergen können. Hier ist ein Kommen und Gehen.“

 

Oh Mensch, dein Leben ist für eine bestimmte Anzahl von Tagen in dieser Welt reserviert. Dann musst du wieder abreisen; wie in einem Hostel.

 

Wie verhält es sich mit einer Hotel-Reservierung? Der Chef schickt seine Mitarbeiter auf Reisen und reserviert die Unterkunft für sie bereits im Voraus. Unser Chef, unser Schöpfer, hat für den Aufenthalt während unserer kurzen Reise ins irdische Dasein ebenfalls vorab reserviert.

Der Herr sagt: „Geh, für diese bestimmte Zeit, schau dir alles an und komm wieder zurück! Es ist längst alles vorgeplant und reserviert.“

Schon seit Tausenden von Jahren gehen die Kinder Adams (Friede auf ihn) in diesem irdischen „Hotel Erde“ ein und aus. Abertausende, Millionen, Milliarden von Menschen ... doch niemand ist für die Ewigkeit hier geblieben!

 

Seitdem die Adamskinder auf Erden verweilen, fährt in jedem irdischen Augenblick ein Leben herab in den Leib einer Frau. Und seit Anbeginn dieser Zeit lässt sich in jedem Moment eine Seele in dieses Leben nieder, das im Leib einer tragenden Mutter zu wachsen beginnt. Neues Leben entsteht, immer.

 

Mit Beginn seines Daseins auf dieser Erde hat der Ahne der Menschen, der Prophet Adam (Friede auf ihn) begonnen, die Menschheit zu mehren. Immer schon haben sich die Menschen vermehrt, trotz der Kriege, Krankheiten und Seuchen, Umwelt- und Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit und Fast-Food.

 

Warum ist das so? Ohne Zweifel ist es der göttliche Wille, dass Menschen der Erde einen Besuch abstatten und wieder zu ihrem Herrn zurückkehren.

 

„Komm in diese Welt!“ Dem Befehl Gottes kann sich niemand widersetzen, auch wenn du sagst: „Ich komme nicht.“ Niemals! Und wenn Allah gebietet: „Geh!“: Wer besitzt die Autorität, sich gegen IHN zu erheben und zu sagen: „Nein, ich gehe nicht, ich will noch bleiben!“? Niemand!

 

Allah ist der Herr, der Schöpfer, der alleinige Herrscher. Kein Wort von IHM wird zu Boden fallen; ist es ausgesprochen, erfüllt es sich sogleich. Seuchen, Erdbeben, Tsunamis, Steine könnten vom Himmel fallen – „die Pille“: Keine Seele wird diese Erde verlassen, wenn es nicht SEIN Wille ist. Unaufhörlich werden sich die Menschen vermehren, wenn ER es will – ganz gleich, was ihnen widerfährt.

Wenn der Herr befiehlt „Bis hierher und nicht weiter, es ist vorbei!“, dann bedeutet das „Stopp“. Da wird auch kein Menschen-Züchten in Reagenzgläsern oder Weinfässern etwas nützen. Allah, der Herr, entscheidet über Anfang und Ende.

 

Es heißt, im Umlauf sind ansteckende Krankheiten. ER bestimmt, wer sich infiziert. Verlangt ihr nach Beweisen?

Man muss nur wissen, wie man zu schauen hat. Viele Menschen liegen mit ansteckenden Krankheiten in den Krankenhäusern. Wer pflegt und hegt sie? Die Ärzte und Krankenschwestern. Wieso stecken sie sich nicht an? Sind sie doch mit ihnen, tagein tagaus und leben gewissermaßen in den Krankenhäusern.

 

In den Laboren der Krankenhäuser befinden sich große Ansammlungen von Aufbewahrungsgefäßen mit diversen Untersuchungs- und Versuchsproben: Blut, Viren, Bakterien und sonstige krankmachende Stoffe. Die Labor-Fachkräfte, Ärzte und Krankenschwestern haben damit Umgang, befinden sich somit in einem „Pool“ von Krankheiten. Doch sie erkranken nicht. Wie ist das möglich?

„Beim Hinein- und Hinausgehen tragen sie Astronauten-Kleidung, befinden sich somit in einer anderen Atmosphäre.“ Ist das so?

Es ist ein Krankenhaus und kein Gesundheitshaus. Wäre es ein Gesundheitshaus, würden es alsbald alle Menschen wieder gesund verlassen. Sowohl Ärzte, Krankenschwestern und sonstige Angestellte als auch die Besucher der Kranken gehen ohne Schutzmaßnahmen über dem Kopf hinein und hinaus .... und werden nicht angesteckt.

 

„Sheikh, was erzählst du uns da? Jetzt wagt sich niemand mehr ins Krankenhaus, will keine Kranken mehr besuchen.“ Nein, das heißt nicht, dass man jetzt keine Krankenbesuche mehr abstatten soll. Im Gegenteil: Es ist ein Segen, sie zu besuchen. Dennoch: Sei achtsam und triff Vorsorge. Letztendlich unterliegt jedoch alles dem Willen Allahs. Sagt der Herr: „Dieser Diener soll nicht erkranken“, dann wird er auch niemals krank.

 

Alles, was dein Schicksal betrifft, ist in der Hand Allahs, du kannst nichts dagegen tun. Akzeptiere dein Schicksal! Dann geht es dir gut. In welcher Lage du zurzeit auch bist, es ist das Beste für dich. Ja, es ist schwer hinzunehmen, wenn das nicht ganz so rosig aussieht. Doch du weißt es nicht besser. Wer weiß es besser? Allah! ER ist der Allwissende!

 

Oh, ihr Menschen. Dies ist eine Sohbet, eine spirituelle Ansprache. Sie soll dem Menschen nützlich sein. Also solltet ihr versuchen, euren Nutzen daraus zu ziehen.

 

Zugleich ist jede Sohbet eine Erinnerung, denn der Mensch ist vergesslich. Er vergisst sogar, was er gestern gegessen hat – obwohl es so süß war. Die Sohbet lässt uns daran erinnern, dass dieses Leben nur höchstens drei Tage von Dauer ist. Ob Engländer, Franzose, Amerikaner – ganz gleich, woher der Mensch stammt: Er ist ein Kind Adams und ist mit dieser Wahrheit konfrontiert.

An dein Gestern erinnerst du dich, dein Heute lebst du und vielleicht hast du noch ein Morgen.

 

Aber darüber hinaus? Nichts mehr! Der Mensch vergisst so schnell, dass er wieder gehen muss.

Auch wenn du dich daran erinnerst... deine Nächsten vergessen diese Realität und fragen: „Schon so weit? Du musst schon gehen? So schnell?“

 

Die drei Tage sind schon vergangen, und du hast es nicht gemerkt? Manche leben nur zwei Tage; es gibt keine Garantie für den dritten Tag, für das Morgen.

 

Bei den Orientalen gibt es ein Sprichwort: „Ein Gast ist nur für drei Tage Gast.“ Ich weiß nicht, ob es bei den Chinesen auch ein solch weises Sprichwort gibt. Das müsste man Konfuzius fragen. Doch wenn er weise war, muss er auch so etwas gesagt haben.

Als der Prophet Adam (Friede auf ihn) auf dem Sterbebett lag, rief er seine Kinder zu sich und sprach: „Schaut, euer Vater wurde im Paradies erschaffen und stirbt in dieser Welt. Kommt, hört, seht und versteht! Wenn ich, der im Paradies ins Dasein kam, diese Erde verlassen muss, um in unserer wahren Heimat das ewige Leben anzutreten, dann muss auch jeder von euch diese irdische Welt eines Tages verlassen.“

„Schaut euren Vater an“, sprach er weiter „ich habe eintausend, zweitausend, mehrere tausend Jahre auf dieser Erde verweilt. Und dennoch werde auch ich gehen. Denn das Leben kommt von oben, vom Himmel und nicht von dieser Erde.“

 

Was gibt es hier auf Erden? Nur den Tod. Eine vergängliche Hülle, die sterben, verwesen muss. Im Paradies, im Himmel, gibt es keinen Tod, keine Toten und keine Ruhestätten. Friedhöfe gibt es nur hier. Das Leben, welches das Sein in dieser Welt befruchtet und für eine gewisse Dauer weiteres Leben schenkt, kommt vom Himmel herab. Ein lebendiger Gruß von oben, doch mit Rückkehr zu seinem Ursprung.

Wie ist das zu verstehen? Stellt euch vor, ihr seid bei Kerzenschein allein zu Haus. Ihr sitzt einfach nur so da, habt nichts zu tun. Unerwartet klingelt es an der Tür und ein gutgelaunter Mensch, ein Freund steht vor der Tür; ein angenehmer Gast. Augenblicklich wird die dunkle Wohnung belebt, denn Leben ist eingekehrt! Durch diese Lebendigkeit erhellt sich der Raum, das Gemüt wird aufgemuntert. Die Zeit der Langeweile ist vorbei. Es ist etwas „in Bewegung“ gekommen, Leben!

 

Ich habe es hin und wieder schon einmal erzählt: Früher pflegte ich oft Bahnhöfe zu besuchen. Mit meinem Kaffee aus der Thermosflasche saß ich da und schaute. Ich sage „früher“, weil es auch mir heute an Zeit mangelt, relaxed dem Treiben auf Bahnhöfen zuzusehen. Gefüllt mit Menschenmassen fuhren die Züge ein und verließen den Bahnhof wieder. Ich trank meinen Kaffee und fragte:

„Weiß jemand, woher dieser Zug kam und wohin er fährt?“


Schmunzelnd antworteten sie mir: „Oh Sheikh, siehst du nicht, dafür gibt es Pläne. Aus diesen kann man entnehmen, welcher Zug an welchem Bahnhof zu welcher Zeit eintrifft, wann er wieder abfährt und sogar, wo seine Endstation ist.“
„Wo steht das geschrieben?“


„So sieh doch, Sheikh, dort ist eine Tafel mit Bezeichnungen A, B, C usw. Es ist sogar ersichtlich, welcher Waggon beim Einfahren wo stehen bleiben wird: Vorn, hinten, oder in der Mitte des Bahnsteiges. Alles ist dort aufgelistet.

Fragst du dich, wer solch eine Tafel ausgearbeitet hat und wer über die einwandfrei funktionierende Durchführung wacht? Es ist ein Mensch! Ein Mensch, in seinem endlichen Dasein, einem endlichen Leben.

 

Wenn ein Mensch mit einer kurzen Lebensdauer es schafft, solch eine Planung zu entwickeln: Was glaubst du, welche Planung dein Schöpfer erstellt hat? Welche Tafel hat er beschrieben?

 

Da wird ein Vorhaben auf dieser kleinen Erde, auf einem kleinen Bahnhof, dermaßen minutiös geplant und aufgezeigt: Glaubt ihr, im Himmel gibt es eine solche Tafel nicht?

 

Eine Tafel, auf der alles vom Schöpfer in die Existenz gebrachte detailliert und präzise niedergeschrieben steht - sämtliche Informationen über jedes einzelne Geschöpf, von einer Seele bis zu einer Zelle. Mit genauesten Angaben über die Eigenarten des Wesens und warum es sich wo, wann und wie bewegt, wie lange es wo verweilt und wann es die Rückreise zu seinem Herrn antritt.

Es gibt diese himmlische Tafel! Darum muss es auch Wächter geben, die diese Tafel ins Leben rufen. Die dafür sorgen, dass alles so, wie es auf ihr geschrieben steht, ausgeführt wird.

 

Es gibt vier große Engel, die darüber wachen: Erzengel Michael, Erzengel Gabriel, Erzengel Uriel und der Erzengel Raphael.

Wenn es hier auf Erden Wächter gibt, die darauf achten, dass alles zuverlässig funktioniert und seine Ordnung hat: Wie kannst du sagen, es gibt keine himmlischen Kräfte, die ebenfalls zu so etwas fähig wären?

 

Du bist ein Geschöpf mit einem weltlichen Ende. Und auch die Aufnahmekapazität deines Verstandes, dein Reden, dein Hören, dein Wahrnehmen sind begrenzt. Und dennoch bist du in der Lage zu gestalten, dass ein Zug pünktlich kommt und geht.

Und dein Schöpfer? Der, der dir deine Kraft, Fähigkeiten und Möglichkeiten gegeben hat, was denkst du: Wozu ist er fähig?

Wie funktionierst du? Woher kommt deine Elektrik, durch die du dich bewegst? Vom Essen und Trinken, das du täglich zu dir nimmst? Ich schau dich an und stelle fest: Du hast kein Kabel, keinen Stecker. Du bist kabellos.

„Sheikh, ich funktioniere wie dein Handy in deiner Tasche - auch ohne Kabel.“

 

Wohin geht die Verbindung? Wie verbindet sich ein Handy, wie funktioniert es? Es nimmt Verbindung zum Himmel auf, zu den Satelliten. Ich bin ebenfalls mit dem Himmel verbunden. Jedoch nicht mit einem Satelliten, sondern weitaus höher hinauf.

„Mein Handy funktioniert auch mit Batterie, Sheikh.“


Ja, es ist in Betrieb, solange die Batterie noch geladen ist. Aber wenn der Akku leer ist, was ist dann? Wie erhältst du nun deine sms, deine Botschaften?


Wie viel Prozent Akku-Laufzeit hast du noch? „Ich habe keine Ahnung, Sheikh.“

Egal wie viel Verstand du hast, wie viel du studiert haben magst und wie viele Titel du besitzt - du hast keine Ahnung, wie viel Zeit dir noch zum Leben bleibt. Das ist traurig, wirklich! Du hast keine Ahnung, ich habe keine Ahnung. Wir wissen nicht, wie viel Prozent Restkapazität unser Lebens-Akku noch inne hat.


„Aber wir bemühen uns, alles zu wissen, Sheikh. Na ja, nicht alles, aber fast alles.“

Was verstehen wir nun von dieser Ansprache?

 

Alles ist von Allah geplant, bis ins kleinste Detail vorherbestimmt und niedergeschrieben. Nichts ist dem Zufall überlassen!

Die Züge können sich ohne eine Lokomotive nicht selbständig fortbewegen. Deshalb ist ein Lokomotivführer nötig; er führt die Lokomotive und kann den gesamten Zug in Bewegung versetzen. So ist es auch im Dasein jedes Einzelnen.

Und ich saß also wieder mit meiner Thermoskanne und meiner Tasse Kaffee in der Hand auf einem Bahnhof, beobachtete die Züge und fragte laut vor mich hin:


„Bewegen sich diese Züge von allein?“
„Nein Sheikh, du weißt aber auch nichts. Es gibt eine Lokomotive, sie zieht den Zug.“
„Ist es die Lokomotive, die den Zug zieht?“
„Nein, natürlich nicht, Sheikh. Es gibt einen Lokomotivführer in der Lokomotive.“
„Heißt das, ich kann auch eine Lokomotive bedienen und einen Zug ziehen?“
„Nein Sheikh, du bist doch kein Lokomotivführer.“

Ein Experte muss her, nicht jeder kann das.
Im Grunde ist es immer der Lokomotivführer, der den genauen Zeitplan am besten kennt. Er hat eine kleine Tafel in seiner Hand. Dort ist aufgelistet, wann er wo, mit welcher Geschwindigkeit und Berechnung die Lokomotive zu bewegen und anzuhalten hat und wie er sie pflegen und hegen soll und muss.

Doch manchmal gibt es Planänderungen...

 

Viele von euch reisen mit Zügen und wissen, dass es oftmals Fahr-Planänderungen gibt. Meist bezieht sich das auf Zeit-Verzögerungen und auf Veränderungen der Fahr-Routen. Und obwohl alles so exakt geplant und niedergeschrieben ist, sind die Abweichungen unvorhersehbar. Kurzfristig werden die Änderungen annonciert, auch über Lautsprecher auf den Bahnhöfen ausgerufen. Verpasst man diese Informationen kann es passieren, dass man im Zug sitzt und nicht an dem Ort seiner Wahl ankommt; Waggons wurden abgekoppelt oder die Eisenbahnweichen umgestellt. So ist es auch mir schon einige Male widerfahren.

 

„Es tut uns leid, die Order kam von oben, vom Zentrum“, rechtfertigt sich das Bahnpersonal.

Es gibt Heilige, die das Schicksal eines Menschen verändern können. Sie sind spirituelle Lokomotivführer. Sie haben dafür die Erlaubnis. Denn stimmen die Voraussetzungen und ist es Allahs Wille, sind sie dafür autorisiert.

 

Seit einiger Zeit fahre ich wöchentlich nach Köln, um Sohbets vor Ort zu halten. Als ich aber letzte Woche aus Köln zurückkam, sagte ich: „Diesen Samstag werde ich nicht nach Köln fahren, eine andere Aufgabe wartet auf mich. Ich weiß, dass eine Seele aus unserer Gemeinde die Welt verlassen wird. Diesen Menschen werde ich auf seinem Weg begleiten und für ihn beten.“

Wer hat mir das zugetragen? Es gibt Botschafter, die dir Nachrichten überbringen, dir deine Aufgabe mitteilen. Hat dir der Herr eine Aufgabe auferlegt, bekommst du für die Ausführung Unterstützung und das nötige Wissen.

Allah ist der Allwissende! ER entscheidet, wann ein Geschöpf gehen muss.
Ein gewöhnlicher Mensch kann das nicht wissen.

 

Oh ihr Leute, seid nicht hoffnungslos. Es gibt immer Hoffnung! Hoffnung, dass wir niemals sterben. Die Menschen, die schon von uns gingen, sind nicht gestorben. Sie sind nur umgezogen!

Was ist wichtig in dieser Welt?


Der Herr sagt: „Von mir kommst du und zu mir wirst du zurückkehren. Einen anderen Weg gibt es nicht. Wichtig auf dieser kurzen Reise ist, wie du die für dich reservierte Zeit verbringst und wie du dich von dieser Welt verabschiedest.“

 

ER fragt dich: „Wer wird dich in diesem Leben aufnehmen, an deiner Seite sein? Welche Hand verabschiedet dich und geleitet dich zurück zu mir? Und wer betet für dich und winkt dir zu mit einem ‚Lebe wohl?’“

 

Der Mensch ist auf Erden bedürftig nach einer Hand, die ihn trägt, hegt und pflegt. Bei der Geburt wird er von einer Hand empfangen. Sie säubert ihn und hüllt ihn warm ein. Und beim Abschied? Wieder ist es eine Hand, die ihn in seiner reinsten und schönsten Form an den Herrn zurückgibt. „Anfang ist Ende, Ende ist Anfang“.

 

Es muss immer jemanden geben, eine Hand, die den Menschen hält. Denkst du, du benötigst sie nicht?

Wenn du gestorben bist, wenn deine Seele den Körper verlassen hat: Wer bettet dich zur letzten Ruh und trägt dich „unter die Erde“? Du vermagst das nicht zu tun, jemand muss für dich sorge tragen - eine Hand, die dir dabei hilft.

 

„Oh Herr, mein Schöpfer, hier gebe ich dir dein Anvertrauen zurück; den Menschen, der sich mir in deinem Namen hingegeben hat. Ich habe deinen Gast nach bestem Vermögen gepflegt und bewirtet - so, wie du es gewünscht hast. So nimm ihn in all seiner Schönheit mit einem Willkommensgruß heim zu dir.“

 

Eine Hand reicht nicht aus, um deinen Körper, das Sichtbare, was von dir noch geblieben ist, zu Grabe zu tragen.

Das irdische Dasein ist im Gleichgewicht von Zweierlei: Dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Wenn dich tragende Hände in der sichtbaren Existenz begleiten, dann muss es demnach auch spirituelle Hände geben. Du kannst sie nicht sehen. Doch während deines gesamten Drei-Tage-Aufenthaltes auf dieser Erde sind sie in deiner Nähe. Sie halten deine Hand, führen dich und stehen dir bei. So tragen auch sie dich auf deinem unsichtbaren Heimgang zu Grabe, winken dir zu und sagen „Lebe wohl!“

 

In deinem Leben bis du entweder in guten oder in schlechten Händen, in sauberen oder in dreckigen.

So wisset! Eine Hand ruht stets auf eurer Schulter: Entweder die saubere Hand Gottes oder die Hand deines Egos und die des Sheytans. Und das ist eine dreckige, sündige Hand! Du würdest dein Leben beschmutzen ... und es wird dir dreckig ergehen.

Das ist eine Tatsache! Und eigentlich die wichtigste im Leben eines Menschen.

 

Gib acht, in welche Hände du dich begibst! Denn diese Hände werden dich nicht nur in diesem Leben tragen, sondern dich auch zu deinem Schöpfer „nach Hause“ bringen. So dass es nicht heißt „Oh Herr, was du mir in reinem Zustand geschickt hast, gebe ich dir dreckig wieder zurück.“

 

Pass auf, wem du dich anvertraust! Bewusst oder unbewusst, du vertraust dich immer jemandem an. „Ich brauche niemanden!“ Das ist eine Lüge! Der Mensch betrügt immer sich selbst zuerst.

 

Als Beweis für diese Lüge schickt dir der Herr ein unsichtbares, winziges Geschöpf, ein Wesen, das man nicht mal unter dem Mikroskop sehen kann: Einen Virus. Er ist wie ein Geist. Und wenn er dich platt macht, wirst du viele Hände brauchen... Der Sheikh stellt dir erneut die Frage: „Bist du jetzt immer noch sicher, dass du niemanden brauchst?“

 

Allah hat uns unseren Bruder anvertraut. Der Großsheikh gab ihn aus seinen Händen in unsere Obhut. Unser Bruder vertraute uns... Ich bin ein Niemand. Wir haben nur einen Auftrag erfüllt.

 

Unser Großsheikh hat uns die Frohe Botschaft übermittelt: Unser geliebter Bruder wurde so schön und so rein verabschiedet und ist in der schönsten Art und Weise seinem Schöpfer entgegengegangen. Das ist wahrlich eine Frohe Botschaft für all diejenigen, die ihn kannten, an seiner Seite waren, ihn lieben und die für ihn gebetet haben.

 

Und weiter sagte er: „Er hat sich uns zu Lebzeiten mit den Worten anvertraut: „Sei mein Vormund, denn ich bin nur ein kleiner Mensch, ich weiß nichts vom Hiersein und vom Hiernach. Ich begebe mich in deine Hände.“

 

Oh ihr Leute, wer regelt alles in einer Vormundschaft, wer trägt dabei die Verantwortung und wer wird zur Rechenschaft gezogen? Der Vormund oder das Mündel?

Es gibt den spirituellen Vormund!

 

„Seinem Willen entsprechend haben wir seine Vormundschaft übernommen“, sagte unser Großsheikh. „Er brauchte sich um nichts zu kümmern. Er musste keine Frage beantworten. Auch haben wir seine ‚Papiere’ erledigt. Er musste weder anstehen noch warten - für die schönste und reinste Heimkehr zu seinem Herrn war alles bestens für ihn vorbereitet.“

 

Was glaubst Du? Deutschland ist berühmt für die Bürokratie - für die Papierflut, die erledigt werden muss - vor, während und auch nach deiner Zeit.

 

Um die Gegenwart deines Schöpfers zu erreichen, musst du durch sieben Himmel gehen. Glaubst du, dass das unbürokratisch von statten geht? Muss dafür keine Vorbereitung getroffen werden? Bedarf es keiner Erlaubnis?

Viele Fragen müssen auf Formularen beantwortet werden, unter anderem: Wer bist du? Wer ist dein Herr? Wer ist dein Lehrer? Welchem Gesetz, welchen Anweisungen, bis du gefolgt? Wie hast du deine Zeit verbracht?

Der „Tote“ sagt: „Dazu bin ich nicht in der Lage, ich bin tot.“
„Nein, du bist nicht tot, du bist nur lahmgelegt. Allah hat dir das Leben gegeben - das nimmt ER nicht mehr zurück.“
„Darf ich dennoch so tun, als wäre ich tot?“


„Nein, zuerst musst du noch sämtliche Formulare ausfüllen, auch wenn es dir schwerfällt.“

Ausländer, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchten, müssen einen Einbürgerungstest bestehen. Zahlreiche Fragen müssen richtig beantwortet werden. Das ist schwierig.

 

Was denkt ihr, wie man den Weg nach „oben“ schafft? Ist das so leicht – wenn doch die „Reise nach Deutschland“ schon so mühevoll ist?

Oh ihr Leute, tut euch etwas Gutes an! Ihr seid doch so groß darin, euch selbst zu lieben. Dann liebt euch noch mehr und vertraut euch einer sauberen Hand an. Wenn ihr das nicht befolgt, wird euch, ohne dass es euch bewusst ist, irgendeine dreckige Hand von hinten anpacken. Und genauso dreckig wird es euch dann ergehen, hier und hiernach. Sucht nach einer sauberen Hand, die euch führt und zieht und euch eurem Herrn gereinigt zurückgibt. Eine Hand, die für euch alles Himmlich-bürokratische erledigt - dass ihr euch in eurer Grabstätte so entspannt fühlt, als wäret ihr mit TUI auf einer schönen Urlaubsinsel.

 

Abdul Rahman Efendi ist gesegnet! Er ist in einem heiligen Monat von uns gegangen. Allah liebt ihn. Subhanallah! Ich möchte auch so sterben. Das irdische Leben birgt viele Schwierigkeiten in sich; oftmals bekommt man nicht alles „auf die Reihe“. Aber Abdul Rahman Efendi durfte bei seinem letzten Atemzug in Frieden Abschied nehmen: Er hat die gesamte Familie wieder zusammengeführt! Subhanallah! Das ist für sein Leben ausreichend, hier und hiernach. Möge seine Seele im Paradies weilen und uns von dort aus zuwinken.

 

Fatiha