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Schau auf das Schöne

Bismillahirrahmanirrahim


Schau auf das Schöne

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin, 22.07.2013

 

Eine Frau fragte mich, ob der Mensch der Spiegel des Menschen sei. Sie wollte wissen, ob eine fremde Person, dessen Verhalten uns nicht gefällt, nicht lediglich unser eigenes Verhalten widerspiegelt.

 

Wir brauchen ein Gegenüber, um uns selbst zu erkennen. Denn unser Gegenüber dient uns immer als Spiegel unseres eigenen Verhaltens. Oder anders ausgedrückt benötigen wir das Wasser, um uns selbst zu betrachten. Denn ohne das Wasser hast du nichts, worin du dich spiegeln kannst.

 

In einem heiligen Vers heißt es sinngemäß, dass der Mensch des Menschen Spiegel ist. Aber natürlich ist es nicht immer der Fall, dass das Verhalten deines Gegenübers auch auf dich selbst zutrifft. Dies ist wichtig zu wissen. Denn entscheidend ist der Maßstab des Menschen, der schaut. Wer den Maßstab von „gut“ und „schlecht“ kennt, also zwischen diesen beiden Komponenten unterscheiden und sich danach ausrichten kann, ist in der Lage zu erkennen, ob sich jemand schlecht verhält und dieses Verhalten auch auf ihn selbst zutrifft.

Letztlich geht es um den Zustand, in welchem du schaust. Wie ist momentan dein innerer Zustand? Bist du benebelt, betrübt, betrunken? Schaut ein Mensch betrunken in den Spiegel, trifft den Spiegel keine Schuld daran, dass dieser Mensch ein ganz verschwommenes und verzerrtes Bild sieht. Denn habe ich selbst keinen klaren Blick, liegt das an mir und nicht an dem Spiegel.

Mit einem klaren Blick hingegen kann ich erkennen, wenn der Spiegel verrostet ist. Dann weiß ich, dass die schlechten Seiten meines Gegenübers nicht auf mich selbst zutreffen. Aber dennoch sind wir natürlich nicht fehlerfrei.

 

Welcher Schaden entsteht mir daher, wenn ich eine schlechte Charaktereigenschaft meines Gegenübers auch als meine eigene Charaktereigenschaft einstufe? Durch diese Herangehensweise bin ich in der Lage, mich zu verbessern. Dies ist doch eine Gunst für mich.

Es ist eine Tugend, das Schlechte und Falsche stets auch bei sich selbst zu sehen. Denn dadurch werde ich mich automatisch verbessern. Sehe ich allerdings das Schlechte immer nur bei den anderen, laufe ich Gefahr, lediglich andere zu verbessern ohne mich selbst zu verbessern. Sage ich hingegen, dass ich Unrecht habe und mich falsch verhalten habe, entsteht mir daraus kein Schaden. Vielmehr kann ich mich dadurch verbessern.

 

Der Prophet Jesus, der Friede sei mit ihm, war einst mit seinen Gefährten unterwegs und entdeckte am Wegesrand einen verwesten Hundekadaver. Als sie auf diesen zugingen, hielten sich seine Gefährten angeekelt von dem Anblick und Gestank ihre Nasen zu. Daraufhin fragte sie der Prophet Jesus, der Friede sei mit ihm: „Warum ekelt ihr euch davor? Warum schaut ihr auf die Seite, die schlecht ist? Warum nehmt ihr den Gestank wahr? Schaut doch auf das Schöne. Schaut darauf, was für schöne Zähne der Hund hat, wie weiße Perlen. Schaut, was der Herr ihm für schöne Zähne gegeben hat, die wie Perlen strahlen.“ Die Gefährten haben nur das Hässliche, den Gestank und das verweste Fleisch, gesehen. Aber der Prophet Jesus, der Friede sei mit ihm, hat unter all dem Schlechten nur auf das geschaut, was noch schön gewesen ist. Und er sprach zu seinen Anhängern: „Schaut nicht auf das Schlechte, sondern versucht innerhalb all des Schlechten das Wunderschöne zu erkennen. Und das sind eben die wunderschönen Zähne des Hundes.“

 

Die Propheten Moses, Jesus, Mohammed und all die anderen Propheten, der Friede sei mit ihnen allen, sprachen daher zu ihren Völkern: „Schaut auf das Schöne. Denn wenn wir auf das Schöne schauen, reflektiert sich diese schöne Ausstrahlung an uns wider. Diese schöne Energie gibt uns eine höhere Energie und versetzt uns in eine höhere Schwingung. Wenn wir unsere Energie, Kraft sowie unser Augenmerk darauf richten, das Schöne zu finden, bekommen wir auch Schönes zurück. Dadurch tritt also das in uns befindliche Schöne hervor.“

Beispielsweise sitzen wir hier in dieser Gemeinschaft brav und vernünftig zusammen. Dies liegt nicht daran, dass wir gut erzogen sind, sondern vielmehr daran, dass wir unsere vernünftige und erzogene Seite hervortun und den unerzogenen Aspekt in uns nicht zum Vorschein kommen lassen. Aber warum machen wir das? Wir halten die soziale Ordnung ein, um nicht herausgeworfen zu werfen. Es verhält sich folglich jeder so, wie es die Etikette von ihm erwartet. Sei also artig, damit aus dir Großartiges und Einzigartiges wird.

Der Herr ist der Schöne und er liebt das Schöne. Wer also ein göttliches Gebot befolgt, kann dadurch niemals hässlich werden. Wird er dennoch hässlich, liegt in der Art und Weise seines Befolgens ein Fehler. Wer ein Gebot befolgt, sei es Mann oder Frau, wird dadurch in Würde gekleidet werden. Diese Person erhält eine Ausstrahlung, die bei anderen Menschen eine positive, aber niemals negative Reaktion hervorruft. Sei es Anerkennung, Respekt oder auch einfach nur, dass man in den Augen seines Gegenübers in einem schönen Antlitz erscheint.

 

Die Ursache hierfür ist, dass der Mensch durch unseren Herrn mit dieser Ausstrahlung eingekleidet wird.

Wenn sich die Frau beispielsweise verhüllt, gewinnt sie, auch anderen Gegenüber, an Würde. Aber diese Würde beruht in erster Linie auf einer entsprechenden Einkleidung durch den Herrn. Insbesondere aufgrund dieser göttlichen Einkleidung wird sie durch ihre Verhüllung würdevoller.

 

Dies ist eine Sache, die wir nicht unbedingt verstehen müssen. Aber wenn der Herr uns Menschen eine Sache anbietet, können wir davon ausgehen, dass das für uns das Beste ist.

 

Davon sollten wir ausgehen, auch wenn wir es nicht verstehen. Denn erinnert euch an die Zeit mit euren Eltern. Diese haben mitunter von euch Dinge verlangt, die ihr nicht unbedingt verstanden habt. Aber es hat euch nicht geschadet, denn sie haben es mit Sicherheit gut gemeint. Und der Herr meint es auch gut mit uns.

 

Was stellen eurer Ansicht nach die zehn Gebote dar?

Du sollst Vater und Mutter ehren ist eines dieser Gebote. Was ist daran schlimm? Was ist daran schlecht? Was ist daran hässlich?

Du sollst nicht stehlen. Was ist das für ein Gebot? Ist Stehlen eine den Menschen nützliche oder schädliche Handlung?

Was möchte Allah also von uns? Er will, dass wir schöne, gute und anständige Menschen werden. Das ist es, nichts weiter. Wieso stellen wir Allah auf die Anklagebank?

 

Die zehn Gebote sind gut und sehr verständlich. Aber es gibt nicht nur diese zehn Gebote. Was denkt ihr? Glauben die Menschen, dass auf den Tafeln des Propheten Moses, der Friede sei mit ihm, nur zehn Gebote standen, als er vom Berg heruntergekommen ist? Die zehn Gebote passen auf eine einzige Tafel. Aber mit wie vielen Tafeln ist er heruntergekommen? Er brachte zehn Kamele beladen mit Tafeln mit. Und beinhalteten diese gesamten Tafeln lediglich die zehn Gebote?

 

Die zehn Gebote sind ein Vorgeschmack der Position unseres Schöpfers uns gegenüber. Sie stellen klar, dass er aus uns gute und schöne Leute machen möchte. Und die anderen Kamele trugen die restlichen Gebote.

 

Gegen die zehn Gebote erhebt niemand einen Einwand. Sie werden nicht als hässlich, sondern einhellig als nützlich und gut eingestuft. Nun stellt sich die Frage, wieso die Menschen dann davon ausgehen, dass alle anderen danach kommenden Gebote schlecht sind.

Es gibt zwei Listen. Es gibt eine Liste der verbotenen Handlungen und eine Liste der erlaubten Handlungen. Letztlich gibt es also eine Unterscheidung zwischen dem Erlaubten und dem Verbotenen. Es gibt 800 Gebote, die ein Verbot betreffen und 500 Gebote, die das Erlaubte betreffen.

 

Und all diese Regelungen beziehen sich auf deine Gesundheit. Sie stellen auf deine körperliche Gesundheit wie etwa deine Augen, Ohren oder deine inneren Organe, aber auch auf deine Spiritualität ab. Sie betreffen also auch deinen spirituellen Körper oder besser gesagt deine spirituellen Organe. Auch sie werden dadurch geschützt und vor Schaden bewahrt.

 

Nimm sauberes Essen zu dir, ziehe dich sauber an, sei rein und halte dich sauber, wasche dich. Was ist daran schlecht? Es geht um deine seelische und körperliche Gesundheit.

 

All diese Gebote und Verbote dienen deiner Gesundheit. Wenn du zum Arzt gehst, gibt er dir auch ein Diätprogramm. Dieses und jenes sollst du nicht essen, wenn du zuckerkrank bist. Und dieses und jenes darfst du essen. So ist das.